Alles begann im April 2019 mit einer Absage. Die rasante Entwicklung im Bereich der digitalen Medizin faszinierte mich so sehr, dass ich spontan eine Bewerbung abschickte – als „Medical Director“ bei einem medizinischen Start-up. Die Idee, der Medizin eine digitale Richtung zu geben, begeisterte mich. Doch mit meiner praktischen Erfahrung als Kinderärztin und einer längst vergangenen Ausbildung zur Industriekauffrau war ich nicht die offensichtliche Kandidatin. Die Absage kam schnell. Aber sie setzte etwas in Gang: den Wunsch, meine Expertise mit der digitalen Welt zu verbinden.
Schon im Mai 2019 ließ mich der Gedanke nicht mehr los: Wie könnte ich digitale Lösungen nutzen, um die Kindermedizin voranzubringen? Eine zufällige Begegnung mit der Mitgründerin einer App für Schwangere gab mir den entscheidenden Impuls. Warum nicht ein eigenes Projekt starten? Eine App entwickeln, die Eltern hilft, Gesundheitsfragen besser zu verstehen? Doch die Realität holte mich ein: Eine App zu entwickeln ist teuer, zeitaufwändig und für eine Einzelperson schwer zu stemmen. Also entstand stattdessen „Rock my health“ – eine Plattform, die Eltern mit verständlicher Gesundheitsaufklärung unterstützen sollte.
Kaum war „Rock my health“ geboren, führte das Leben uns nach Schweden. Obwohl es bereits mein dritter Umzug in dieses Land war und ich das schwedische Gesundheitssystem aus früheren Tätigkeiten zu kennen glaubte, überraschte mich der Kontrast zu meiner Arbeit in einer kinderärztlichen Praxis in Berlin. Der Unterschied zwischen meiner bisherigen Tätigkeit und meiner neuen Rolle in einem Kinder- und Jugendmedizinischen Zentrum in Schweden war größer, als ich erwartet hatte. Die Umstellung forderte mehr Energie, als mir bewusst war, und mein Projekt geriet ins Stocken. Ich merkte, dass es schwer war, gleichzeitig in zwei Gesundheitssystemen präsent zu sein. So begann ich, „Rock my health“ neu zu überdenken.
Mit der Zeit fand „Rock my health“ seinen Platz – und eine neue Ausrichtung. Was als Plattform für Eltern begann, ist heute eine digitale Werkzeugkiste, die meinen Arbeitsalltag erleichtert. Immer wieder habe ich erlebt, wie es sich anfühlt, in neuen beruflichen Situationen bei null anzufangen und das Rad neu zu erfinden. „Rock my health“ ist der Ort, an dem ich meine Arbeitsmaterialien und Ressourcen strukturiert sammle, um dieses Wissen mit anderen zu teilen. Mein Ziel ist es, eine öffentlich zugängliche Plattform zu schaffen, die auch medizinischem Fachpersonal nutzt. Ich möchte Inspiration bieten, den Austausch fördern und innovative Ansätze in der Kindermedizin voranbringen – für uns als Fachleute und unsere kleinen und großen Patienten.
Mein Weg in die Medizin
Das Medizinstudium und Auslandserfahrungen
Mein Weg in die Medizin verlief alles andere als geradlinig. Mit einer Hauptschulempfehlung nach der Grundschule und dem festen Willen, es bis zum Abitur zu schaffen, waren Motivation und Durchhaltevermögen entscheidend. Nach dem Abitur absolvierte ich eine Ausbildung zur Industriekauffrau, mit dem Ziel, später in der Medizintechniksparte meines Ausbildungskonzerns zu arbeiten. Schon früh faszinierte mich die Idee, die Gesundheitsversorgung mit modernen und innovativen Technologien zu gestalten. Ein Medizinstudium schien mir in Kombination mit meiner kaufmännischen Ausbildung die ideale Grundlage, um an dieser Schnittstelle theoretisch wie praktisch mitzuwirken. Doch nach meinem ersten Pflegepraktikum in einer Kinderklinik wurde mir schnell klar: …
Meine wahre Berufung liegt nicht in der Wirtschaft, sondern im direkten Kontakt mit Patienten. Ab diesem Moment stand fest: Ich werde Kinderärztin. Meine medizinische Ausbildung verlief dann sehr geradlinig. Ich begann an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, setzte mein Studium an der Universität Wien fort und schloss es schließlich an der Humboldt-Universität zu Berlin ab. Praktische Erfahrungen sammelte ich in verschiedenen Ländern wie Neuseeland, Thailand, Guatemala, Kanada und Österreich. Immer wieder zog mich mein Interesse an unterschiedlichen Gesundheitssystemen und neuen Ansätzen ins Ausland. Besonders prägend war meine Zeit im Labor der klinischen Immunologie an der Charité: Hier forschte ich zur T-Zell-Reaktivität des Zytomegalievirus und promovierte.
Facharztausbildung und beruflicher Einstieg
Arbeit in Berlin und Rückkehr nach Schweden
Nach dem Studium begann meine klinische Laufbahn als Arzt im Praktikum (AiP) in einer Kinderklinik in Brandenburg, bevor es mich nach Nordschweden zog. Dort verbrachte ich die ersten Jahre meiner Assistenzarztzeit in der Kinderklinik Hudiksvall. Obwohl ich die Zeit in Schweden sehr schätzte, brachte mich das Heimweh schließlich zurück nach Deutschland. In der DRK-Klinik Berlin Westend schloss ich meine Facharztausbildung für Kinder- und Jugendmedizin ab. Kurz nach der Facharztprüfung zog es die Familie erneut nach Schweden, wo ich mehrere Jahre in der Astrid Lindgren-Kinderklinik des Karolinska Universitätskrankenhauses in Stockholm im ambulanten Bereich tätig war. Diese Zeit prägte mein Interesse für den schwedischen, pragmatischen Ansatz in der Medizin, den ich bis heute sehr schätze. Mit den Jahren wuchs dennoch mein Wunsch, eine eigene Praxis in Berlin zu eröffnen, und es bot sich die Gelegenheit, als angestellte Ärztin bei einem privaten Gesundheitskonzern in das Praxisleben einzutauchen. Die Umstände in der Praxis waren aufgrund unglücklicher Ereignisse herausfordernd:
Nach nur wenigen Monaten stand ich – unverschuldet – als alleinige Ärztin ohne Team da und musste eine große Anzahl an Patienten betreuen. Außerdem kam ein Praxisumzug hinzu, der die Situation weiter erschwerte. Nach einigen harten und beruflich sehr fordernden Jahren war die Praxis schließlich etabliert – mit einem großartigen Team, stabilen Strukturen und wunderbaren Patienten. Mit schwerem Herzen zog ich 2021 aus familiären Gründen wieder nach Schweden. Die ersten Monate waren turbulent, und ich fand mich in einer weiteren „Aufbaupraxis“ wieder. Doch dank der wertvollen Erfahrungen der letzten Jahre und einem überzeugenden Angebot meiner jetzigen Chefin arbeite ich seit Januar 2022 in einem privaten Kinder- und Jugendmedizinischen Zentrum (BUMM) nördlich von Stockholm. Hier habe ich endlich meine berufliche Heimat gefunden. Seit einem Jahr sind wir Teil eines finnischen Gesundheitsunternehmens, das sich in mehreren europäischen Ländern weiterentwickelt und dabei einen starken Fokus auf digitale Innovationen setzt – ein Bereich, der mich besonders begeistert.