Kind mit Zimtschnecken-Augen

Bindehautentzündung

Die infektiöse Bindehautentzündung ist ein sehr häufiger Vorstellungsgrund in unserer Praxis, insbesondere wenn sie im Rahmen einer Erkältung auftritt. Oft schenken Eltern ihr zu Beginn nicht viel Aufmerksamkeit, denn die Kinder wirken meist, trotz roter und teilweise „verklebter“ Augen, recht unbeeinträchtigt. Nachdem man ihnen am Morgen das verklebte Auge sauber gewischt hat, denken viele Eltern, damit ist es zunächst einmal getan und bringen ihr Kind in den Kindergarten. Dort wird das Kind dann aber häufig nicht „angenommen“ oder es kommt spätestens nach dem Mittagsschlaf der Anruf, man möge sein Kind bitte abholen mit dem Hinweis, es habe eine Bindehautentzündung. Manchmal bekommt man auch von der Betreuungseinrichtung den „Auftrag“, zur Kinderärztin/zum Kinderarzt zu gehen, um sich eine „Gesundschreibung“ für sein Kind zu holen. Die Ärztin/der Arzt soll attestieren – obwohl es aus medizinischer Sicht NICHT sinnvoll ist (s.u.) – , dass das Kind keine ansteckende Krankheiten hat und unbedenklich wieder in die Gemeinschaftseinrichtung gehen kann.

Kommt dir dieses Szenario bekannt vor? Wie hättest du es gemacht? Weisst du, wie du eine Bindehautentzündung erkennen kannst, wie sie verursacht wird und was zu tun ist? Wann würdest du dein Kind der Ärztin/dem Arzt vorstellen und wann würdest du es wieder in die Kita schicken? Ist eine antibiotische Behandlung immer indiziert? Diese Fragen möchte ich dir im folgenden Beitrag beantworten.

Hinweis:

Der Inhalt dieses Textes basiert auf gründlicher Literaturrecherche und meinen persönlichen, beruflichen Erfahrungen als Kinder- und Jugendärztin. Der Artikel dient der allgemeinen Information und elterlichen Weiterbildung. Die Informationen dieses Beitrags können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.

Die infektiöse Bindehautentzündung im Kleinkind- und Schulalter

Was ist eine infektiöse Bindehautentzündung?

Die Bindehaut ist eine dünne, durchsichtige Schicht, die den sichtbaren Teil des weißen Augapfels und die Innenseite der Augenlider überzieht. Verschiedene Krankheitserreger, wie Viren und Bakterien, können eine Entzündungsreaktion verursachen. Die Bindehaut reagiert mit einer vermehrten Füllung der kleinen Blutgefäße und das Auge erscheint dadurch rot. Sowohl die Bindehaut als auch die Lider können Flüssigkeit einlagern. Dieses kann zu Schwellungen führen. Insbesondere bei einer bakteriellen Entzündung bildet sich durch die körpereigene Immunabwehrreaktion ein gelbliches Sekret (Eiter). Das Sekret führt dazu, dass Wimpern- und Lidrand verkleben. Zu Beginn der Erkrankung ist meist nur ein Auge betroffen, im Verlauf dann oft auch das andere.

Bindehautentzündung

Sowohl die virale als auch die bakterielle Bindehautentzündung verlaufen in diesen Altersgruppen für gewöhnlich selbstlimitierend und führen selten zu Komplikationen. Sie treten häufig in Begleitung einer Erkältung auf, können aber auch ohne Erkältungssymptome vorkommen. Es ist sehr schwer, nur durch die Untersuchung des Auges, auf eine virale oder bakterielle Ursache zu schließen, denn die Symptome können sehr ähnlich sein. Morgendlich stark verklebte Augen und eitriger Sekretfluss sprechen eher für eine bakterielle Bindehautentzündung, sind jedoch auch bei einer viralen Bindehautentzündung möglich.

Was für Symptome zeigt eine Bindehautentzündung?

  • Rötung des Auges
  • Fremdkörpergefühl
  • Brennen oder Jucken
  • Tränende Augen
  • Schleimig-gelbes Sekret im Augenwinkel
  • Gelb-krustig verklebtes Auge insbesondere nach dem Schlafen
  • Schwellung des Lidrandes

Wie wird eine Bindehautentzündung übertragen?

Sowohl die bakterielle als auch die virale Bindehautentzündung ist hochansteckend und wird über Kontakt mit infiziertem Augensekret übertragen. Erkrankte Kinder fassen sich z.B. ans Auge, haben die Keime dann an der Hand haften und können sie indirekt über berührte Gegenstände oder direkt durch Hautkontakt an andere weitergeben. Viele der Erreger halten sich außerhalb des Körpers sehr gut. Das begünstigt ihre Verbreitung.

Was kann ich bei einer Bindehautentzündung für mein Kind tun?

Zeigt dein Kind die typischen Anzeichen einer infektiösen Bindehautentzündung, dann wische in regelmäßigen Abständen das angesammelte Sekret weg. Hierfür kannst du z.B. ein weiches Papiertuch oder Wattepads verwenden. Feuchte diese zuvor mit lauwarmem Wasser an. Das Wasser muss nicht abgekocht sein. Wische vorzugsweise vom äußeren zum inneren Augenwinkel, denn die Erreger und das Sekret sammeln sich gewöhnlich am Eingang des Tränenkanals, d.h. im Bereich des inneren Augenwinkels, an. So schmierst du Keime und Sekret nicht wieder ins Auge. Entsorge die benutzten Utensilien und wende sie nicht für das andere Auge an.

 

Falls Sekret und Wimpern fest verklebt sind, lege ein feuchtes Tuch auf das Auge und lass es einen Moment lang einweichen. So wirst du das Sekret später einfacher lösen können. Manche Kinder empfinden es als sehr angenehm, eine feuchte Kompresse auf dem Auge liegen zu haben. Du kannst es deinem Kind gerne anbieten und schauen, ob es ihm gut tut.

 

Wechsel täglich den Kissenbezug und die Handtücher deines Kindes und achte darauf, dass es sich keine Hygieneartikel mit anderen teilt. Ermuntere dein Kind dazu, sich häufig die Hände zu waschen. Solche Hygienemaßnahmen spielen eine besonders wichtige Rolle.

Braucht mein Kind antibiotische Augentropfen?

Viele Bindehautentzündungen werden durch Viren verursacht und da hilft bekanntlich kein Antibiotikum. Da es jedoch schwierig ist, zwischen einer viralen und bakteriellen Ursache zu unterscheiden, haben verschiedene medizinische Studien genau diese Fragestellung näher untersucht und es konnte gezeigt werden, dass durch die Gabe von antibiotischen Augentropfen der Krankheitsverlauf einer milden Bindehautentzündung nur geringfügig beeinflußt wird. Ein Großteil der Entzündungen heilt innerhalb von wenigen Tagen bis zu einer Woche von alleine ab und eine antibiotische Behandlung ist NICHT notwendig. Aus diesem Grund empfehlen mittlerweile viele Ärztinnen und Ärzte, den Verlauf erst einmal zu beobachten. Bei ausbleibender Verbesserung kann eine antibiotische Therapie immer noch in Betracht gezogen werden.

Ein frühzeitiger Beginn der antibiotischen Therapie ist bei ausgeprägten Symptomen zu erwägen, denn einige Studien haben gezeigt, dass es so im Falle einer bakteriellen Entzündung zu einem rascheren Abklingen der Beschwerden kommt.

Das Risiko und der Nutzen einer medikamentösen Therapie muss immer abgewogen werden. Auch wenn es sich „nur“ um eine lokale Therapie handelt, sind antibiotische Augentropfen Medikamente, die auch Nebenwirkungen mit sich bringen können.

Wann sollte ich mein Kind der Kinderärztin/dem Kinderarzt vorstellen?

Leider kann diese Liste nie vollständig werden, denn sie wird niemals alle individuellen Umstände erfassen können. Sie kann dir jedoch in der akuten Situation als Orientierungshilfe dienen.

Du solltest dein Kind IMMER der Ärztin/dem Arzt vorstellen, wenn du unsicher bist!

Ansonsten gilt, dass bei folgenden Symptomen eine ärztlichen Abklärung notwendig ist:

  • reduziertes Allgemeinbefinden
  • starke lokale Entzündungszeichen am Auge mit viel eitrigem Sekret und/oder stark verklebtem Auge
  • Beeinträchtigung des Sehens
  • Augenschmerzen
  • Ausbleibende Verbesserung
  • Langanhaltende, einseitigen Beschwerden
  • Lichtempfindlichkeit

Zeigt dein Kind jedoch die typischen Symptome einer milden, infektiösen Bindehautentzündung und ist sein Allgemeinbefinden gut, dann brauchst du nicht zwingend zur Ärztin/zum Arzt zu gehen. Fange mit den oben beschriebenen Maßnahmen an.

Die Bindehautentzündung eignet sich übrigens auch besonders gut als Vorstellungsgrund in einer Videosprechstunde, falls eure Ärztin/euer Arzt eine anbieten sollte und du z.B. eine „Krankschreibung“ brauchst (Information Videosprechstunde). Ich lasse mir vor der Videosprechstunde von den Eltern noch ein Bild des betroffenen Auges schicken. Das erleichtert mir die Beurteilung. Bei der Online-Konsultation muss das Kind selbstverständlich anwesend sein.

Darf mein Kind mit einer milden Bindehautentzündung eine öffentliche Gemeinschaftseinrichtung besuchen?

Diese Frage ist leider nicht so einfach mit JA oder NEIN zu beantworten, denn es gibt keine einheitliche Empfehlung.

Eine Bindehautentzündung ist hochinfektiös und breitet sich schnell unter Kindern einer Kindergartengruppe aus. Die Kinder in dieser Altersgruppe haben in der Regel sehr engen Körperkontakt zueinander. Es läßt sich also nicht vermeiden, dass sich das betroffene Kind ans Auge fasst und danach andere Kinder oder Gegenstände berührt. Deshalb empfehle ich, das Kind in den ersten Tagen mit Zeichen einer Bindehautentzündung zuhause zu lassen. Bei abklingenden Beschwerden sollte der Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung wieder möglich sein. Dies muss jedoch mit der Einrichtung besprochen werden, da jede Gemeinschaftseinrichtung unterschiedliche Konzepte hat.

Bei Schulkindern sieht es dagegen anders aus. Der Körperkontakt ist in dieser Altersgruppe nicht mehr so eng, auch können Hygienemaßnahmen besser befolgt werden. Aus diesem Grund sollten Schulkinder bei gutem Allgemeinbefinden, auch mit florider Bindehautentzündung, weiterhin die Schule besuchen können.

Die häufige „Bitte“ vom Personal der Gemeinschaftseinrichtung, sich bei einer abklingenden Bindehautentzündung von der Kinderärztin/vom Kinderarzt attestieren zu lassen, dass das Kind „frei von ansteckenden Krankheiten“ ist und eine Gemeinschaftseinrichtung wieder besuchen kann, ist NICHT sinnvoll. Für einige Infektionskrankheiten ist ein ärztliches Urteil notwendig, welches bescheinigt, dass die Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist (Infektionsschutzgesetz § 34). Für eine Bindehautentzündung gilt dieses nicht.