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Videosprechstunde

Top oder Flop?
3. Mai 2020

Die Videosprechstunde

Durch den unerwarteten Aufschwung der Digitalisierung im Zuge der Corona-Pandemie ist die Frage „Videosprechstunde – Top oder Flop?“ einfach zu beantworten. Die Online-Sprechstunde ist in Deutschland angekommen! Ihren Nutzen wird keiner mehr anzweifeln. Die Frage ist nun eher, was du über sie wissen solltest. Für welche Anliegen macht sie Sinn? Welche technischen Voraussetzungen sind notwendig? Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Fragen gibt es viele. Einige möchte ich dir im Folgenden beantworten.

Stärkung der Videosprechstunde

Vielleicht hast du schon mitbekommen, dass im Rahmen der weltweiten Ausbreitung des neuartigen Coronavirus immer mehr Ärzte in Deutschland Videosprechstunden anbieten. In anderen Ländern, wie z.B. in Schweden, hat sich diese Form der digitalen Arzt-Patienten-Kommu­nikation schon lange vor der Pandemie etabliert. Die Voraussetzungen, dass Online-Sprechstunden überhaupt in Deutschland möglich sind, wurde bereits 2018 mit der Lockerung des Fernbehandlungsverbotes durch den Deutschen Ärztetag geschaffen. Erst durch die aktuelle pandemische Entwicklung wurde jedoch die digitale Sprechstunde bei uns als eine ernsthafte Alternative zum klassischen Arzt-Patienten Kontakt wahrgenommen. Viele meiner Kollegen, die anfangs der neuartigen Entwicklung sehr skeptisch gegenüberstanden, sind mittlerweile von dem Nutzen der telemedizinischen Patientenversorgung als ergänzendes Angebot überzeugt und bieten sie teilweise auch schon ihren Patienten an.

Die Vorteile einer Videosprechstunde

Die direkten Vorteile einer Videosprechstunde liegen auf der Hand:

 

  • keine Anfahrtzeiten

 

  • kein langes Warten im Wartezimmer

 

  • kein Risiko, sich in der Praxis mit einer infektiösen Krankheit anzustecken

 

  • weniger Stress für das Kind und natürlich für dich selber

 

  • schneller ärztlicher Rat bei Fragen und Unsicherheiten

 

Dadurch, dass viele Eltern für ihr Anliegen wie z.B. dem Abholen einer Folgeverordnung oder einer Krankschreibung bei leichteren Erkrankungen des Kindes mittlerweile nicht mehr zwingend in die Praxis kommen müssen, gibt es auch indirekte Vorteile. Für Patienten, bei denen eine direkte Arztkonsultation aus medizinischen Gründen notwendig ist, verkürzen sich z.B. Wartezeiten. Die Praxisräume sind leerer. Folglich sinkt auch dort das Infektionsrisiko.

Die Nachteile einer Videosprechstunde

Die Videosprechstunde bietet jedoch nicht nur Vorteile. Sie hat auch Begrenzungen.

 

  • eingeschränkte körperliche Untersuchungsmöglichkeiten

 

  • das Risiko einer Fehldiagnose ist größer

 

  • Einschränkung des ganzheitlichen Blickes 

 

  • unpersönlicher Arzt-Patient-Kontakt

 

  • unzureichende Vorgaben zur Sicherung der Qualität der medizinischen Versorgung 

 

  • Störanfälligkeit der Kommunikation bei schlechter Internetverbindung

Für diese Anliegen könnte eine Videosprechstunde Sinn ergeben

Durch die eingeschränkte Möglichkeit des Arztes/der Ärztin, den Patienten körperlich zu untersuchen, ist die Videosprechstunde nicht für jedes Anliegen geeignet. Es ist ratsam zu wissen, für welche Anliegen du sie sinnvoll nutzen kannst. Dieses Wissen ermöglicht dir eine gezielte Inanspruchnahme der digitalen Kommunikation mit der Ärztin/dem Arzt und vermeidet unnötige, nicht zielführende Terminbuchungen.

 

Die folgende Auflistung bietet dir einen groben Überblick über Anliegen, Diagnosen, Beschwerden und Symptome, für die du euren Kinderarzt online kontaktieren könntest. Beachte, es handelt sich hierbei nur um eine grobe Orientierungshilfe! Entscheidend ist immer der Allgemeinzustand deines Kindes sowie deine persönliche Einschätzung der Situation. Im Zweifelsfall kontaktiere deine Kinderarztpraxis direkt!

  • Coronavirus (aktuelle Fragen, Symptomcheck)

 

  • Allergien

 

  • Bronchiale Hyperreagibilität/Infektasthma

 

  • Fieber (Kind älter als 6 Monate, Fieber kürzer als 3 Tage und gut senkbar, Trinkverhalten gut, Bewusstsein ungetrübt)

 

  • Schnupfen

 

  • Husten (Kind älter als 6 Monate, keine Atembeschwerden)

 

  • Halsschmerzen (ohne Fieber, ohne starke Schluckstörungen)

 

  • Bauchschmerzen (keine Schmerzen beim Hüpfen, kein nächtliches Aufwachen )

 

  • Erbrechen (Kind älter als 12 Monate, Trinkverhalten gut, Windeln feucht)

 

  • Verstopfung

 

  • Läuse

 

  • Würmer

 

  • Insektenstiche (keine sich ausbreitende Rötung oder Eiter-/Abszessbildung)

 

  • Hautausschläge/Ekzem

 

  • Augenentzündungen

 

  • Kopfschmerzen (Dauer weniger als 2 Wochen, ohne weitere Symptome wie z.B. Erbrechen)

 

  • Ernährungsfragen

 

  • Folge-Überweisung

 

  • Kuranträge

 

  • Verhaltensprobleme, Angststörung, Depression (als Orientierungstermin)

 

  • „Ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes“ bei leichten Infekten

 

  • Folge-Rezepte

 

 

Die Ärztin/der Arzt wird während der Online-Sprechstunde evaluieren, ob eine Diagnosestellung sowie die Einleitung einer Behandlung ausschließlich auf dem digitalen Weg möglich ist. Ist dieses nicht machbar, dann wird sie/er deinem Kind einen Termin zur Vorstellung in der Praxis geben. Um unnötige Arzt-Patienten Kontakte zu vermeiden, sollte durch eine deutlichen Eingrenzung der Kriterien für die Videosprechstunde schon vorab geklärt sein, ob eine Online-Konsultation zielführend ist.

Wie funktioniert eine Videosprechstunde?

Eure Kinderärztin/euer Kinderarzt beauftragt einen Videodienstanbieter, ihr/ihm die notwendige Technik mit den dafür erforderlichen umfassenden Sicherheitsanforderungen zur Verfügung zu stellen. Der Anbieter sollte zertifiziert sein. Eine Zertifizierung von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erlangt der Videodienstanbieter  nur, wenn er alle technischen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Es wird hierdurch sichergestellt, dass alles, was ihr mit eurer Ärztin/eurem Arzt besprecht, auch im virtuellen Sprechstundenzimmer verbleibt.

Vorbereitung auf die Videosprechstunde

Du benötigst für eine Videosprechstunde lediglich ein Smartphone, Tablet oder PC mit Kamera, Mikrofon und Lautsprecher – und natürlich eine Internetverbindung. Dein Kind sollte sich vor Beginn der Videosprechstunde in der Nähe befinden. Bereite es auf die Online-Sprechstunde vor. Älteren Kindern kannst du erklären, wie der virtuelle Besuch beim „Doktor“ ablaufen wird. Viele Kinder reagieren beim ersten Mal sehr überrascht, dass ihr Arzt „nach Hause“ kommt. Die meisten finden es aber spannend und tauen meist viel schneller auf als in der Praxis. Diese Erfahrungen habe ich zumindest bisher gemacht.

 

Je nachdem, um welches Anliegen es sich handelt, sollte dein Kind so vorbereitet sein, dass die Ärztin/der Arzt es leicht „untersuchen“ kann. Hat es z.B. Fieber und die Ärztin/der Arzt möchte die Haut und/oder Atmung beurteilen, kann sie/er dich u.a. bitten, den Oberkörper deines Kindes frei zu machen. Es bietet sich also an, sich schon vorher Gedanken zu machen, um unnötige Stressmomente vor laufender Kamera zu vermeiden. 

Der Einwahlcode

Über den Videodienstanbieter hat die Arztpraxis die Möglichkeit, dir vor dem vereinbarten Termin einen Einwahlcode per SMS oder E-Mail für die Videosprechstunde zukommen zu lassen. Du klickst auf diesen Einwahlcode und gelangst so auf die Internetseite des zertifizierten Videodienstanbieters. Einen Account brauchst du in der Regel hierfür nicht anlegen. Ich rate dir, nicht erst zum vereinbarten Termin mit der Einwahl zu beginnen. Kalkuliere ein ausreichendes Zeitfenster (ca. 5-10 Minuten) ein. So kannst du dich in Ruhe mit der Anwendung vertraut machen und den vollständigen Namen deines Kindes eingeben. Es kann auch sein, dass du gebeten wirst, einen kurzen Techniktest durchzuführen. Beim Techniktest wird geprüft, ob bei dir alle technischen Voraussetzungen gegeben sind, an einer Online-Sprechstunde teilzunehmen.

 

Das alles hört sich nun komplizierter an, als es in Wirklichkeit ist. Ich versichere dir, die Software der zertifizierten Videosprechstundenanbieter ist in den meisten Fällen extrem anwenderfreundlich gestaltet. Du brauchst kein „Technikgenie“ zu sein, um sie problemlos zu bedienen.

Die Videosprechstunde beginnt

Nachdem du den Namen deines Kindes eingegeben und die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen hast, nehmt ihr beiden im virtuellen Wartezimmer eurer Kinderarztpraxis Platz. Eure Ärztin/euer Arzt sieht nun, dass ihr online seid und wird euch zum vereinbarten Termin in den virtuellen Behandlungsraum eintreten lassen. Die Sprechstunde kann beginnen.

In der Sprechstunde läuft das Anamnesegespräch ähnlich ab wie in der Praxis. Es gibt eine kleine Ausnahme: Vor Beginn der ersten Videosprechstunde wird eure Ärztin/euer Arzt euch über Datenschutz und Grenzen der Onlinesprechstunde aufklären. Um eine Einwilligungserklärung zum Videodienst wird man häufig schon bei der Einwahl gebeten. 

Während der Videosprechstunde ist es wichtig, dass du und dein Kind euch in einer ruhigen Umgebung mit ausreichend Licht befindet. Die Ärztin/der Arzt muss euch gut hören und sehen können. 

Persönliche Erfahrungen

Seit einigen Wochen bieten auch wir in der Praxis eine Videosprechstunde an und sammeln täglich mehr Erfahrung damit. Die Online-Sprechstunde wird von vielen unserer Patienten und Eltern sehr positiv aufgenommen. Bei einfachen medizinischen Anliegen, Überweisungen und Erneuerung von Rezepten kann sie mittlerweile den Gang in die Praxis ersetzen. Das Ansteckungsrisiko (nicht nur mit dem Corona-Virus) in unseren Praxisräumen ist deutlich geringer und der Online-Kontakt mit uns bedeutet für Eltern und Kind weniger Stress.