Schweden – unsere Story

Eine Reise in die Vergangenheit

Heute nehme ich dich mit auf eine Reise in die Vergangenheit … in eine Zeit, in der es für Ärzte in Deutschland noch nicht selbstverständlich war, auch einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen …. in eine Zeit, in der es in Deutschland fast unmöglich war, für sein Kind frühzeitig einen Kitaplatz zu bekommen.

Die erste Geburt

Alles begann mit der Geburt unserer ersten Tochter im Jahre 2003. Mein Mann und ich waren gerade fertig mit dem „Arzt im Praktikum“ und mussten uns nun Gedanken machen, wie wir den Job als Assistenzärzte in einem deutschen Krankenhaus mit unseren Bedürfnissen als Eltern unter einen Hut bringen könnten. Eines war klar: Arbeiten wollten wir beide und möglichst viel Zeit mit unserer kleinen Tochter verbringen, das wollten wir auch beide! Vor knapp 17 Jahre haben sich jedoch unsere Chefs bei Begriffen wie Teilzeitarbeit, Elternzeit für Väter oder gar „Work-Life-Balance“ nur an den Kopf gepackt. 24-36-Stunden-Dienste standen auf dem Programm und das gerne bis zu neun mal im Monat. Okay …. da kommt man ordentlich ins Grübeln, wie man ein entspanntes Familienleben hinbekommen könnte.

Die Schwedenbörse

Schnell wurde uns bewusst, an einem deutschen Krankenhaus wird das schon mal nichts. Wir brauchten uns zum Glück nicht lange darüber den Kopf zerbrechen, denn eine Woche nach der Geburt unserer Tochter sind wir über eine Annonce auf eine „Schwedenbörse für Gesundheitspersonal“ in Bonn aufmerksam geworden. Offensichtlich wurden Ärzte in Schweden gesucht. Es wurde mit familienfreundlichen Arbeitsbedingungen geworben. Genau das brauchten wir und so haben wir uns als „frischgebackene“ Eltern mit einem wenige Tage alten Neugeborenen auf den Weg nach Bonn gemacht.

In Bonn haben wir eine nette deutsche Oberärztin kennengelernt, die schon seit vielen Jahren in einem Krankenhaus in Nordschweden tätig war. Sie hat uns wunderbare Sachen über die Ausbildung, die Arbeitsbedingungen und die Umgebung des Krankenhauses erzählt. Sie hat uns auch angeboten, dass wir es uns mal persönlich anschauen könnten. Ein Sprachkurs für Schwedisch wäre in einem Arbeitsvertrag – selbstverständlich – inklusive. Keinen Monat später begab sich unsere kleine Familie auf den Weg nach Schweden, um sich das Krankenhaus in einem kleinen Ort 300 km nördlich von Stockholm anzuschauen.

Auswandern?

Die Antriebskraft für unsere Reise war der Wunsch, Familie und Arbeit zu vereinigen. Hierfür musst du wissen, dass ich kein „Auswanderertyp” bin. Ich habe während meines Studiums viel Zeit im Ausland verbracht und bin irgendwann zu der Erkenntnis gekommen, dass ich mich nirgends so wohl fühle wie in Deutschland. Des Weiteren hat sich in den Jahren bei mir ein Gefühl der großen Dankbarkeit eingestellt, in einem Land wie Deutschland mit all seinen sozialen Sicherheiten wohnen zu dürfen. So etwas erkennt man leider häufig erst, wenn man über den Gartenzaun schaut. Das Gras des Nachbarn ist nämlich nicht immer grüner!

Die Schwedenreise

Auf dem Weg Richtung Nordschweden sind wir durch endlose lange Wälder gefahren. Es wirkte auf mich alles sehr einsam, dunkel und irgendwie bedrohlich. Womöglich hatte ich zu viele Schwedenkrimis gelesen. Zudem kam, dass ich ein Freund der warmen Jahreszeit bin und mich dementsprechend mehr zum Mittelmeerraum hingezogen fühle. Ich saß nun im Auto Richtung Norden und habe die ganze Zeit gedacht, hier werde ich definitiv niemals hinziehen. 200 km hinter Stockholm lichtete sich plötzlich der Wald und zum Vorschein kam eine bezaubernde, liebliche Landschaft mit sanften Hügeln, Wäldern und kleinen Ortschaften mit niedlichen, roten Schwedenhäusern … und den Rest der Geschichte kannst du dir bestimmt denken. 

Der Beginn unseres Schwedenabenteuers

Wir sind hingezogen und haben fantastische Jahre in Schweden verbringen dürfen. Wir haben Schwedisch gelernt. Wir waren Eigentümer eines kleinen rosa Reihenhäuschens in einer Siedlung, die an ein dänisches Feriendorf erinnerte. Die Kita lag direkt hinter unserem Garten. Natürlich haben wir sofort einen Kita-Platz bekommen und unsere kleine Tochter fühlte sich sehr wohl dort. Die Arbeitsbedingungen waren hervorragend und die Schweden waren etwas zurückhaltend uns gegenüber, aber immer unglaublich freundlich. Kurzum … es gab einfach nix zu meckern. Mein Mann würde womöglich immer noch in dem kleinen rosa Häuschen leben, wenn ich nicht gewesen wäre. Denn es kam wie es kommen musste …

Die zweite Geburt

Ich wurde wieder schwanger, die Geburt unserer zweiten Tochter nahte und ich habe schlimmes Heimweh nach Deutschland bekommen. Ein Kompromiss musste gefunden werden, denn mein Mann wäre am liebsten in Schweden geblieben. Es gab demzufolge nur 3 Möglichkeiten: (1.) Bleiben, (2.) Rückzug oder (3.) die Kombination aus beidem. Die dritte Variante erschien uns damals als die sympathischste. Und so fingen wir an, kreative Modelle für unser zukünftiges Familien- und Arbeitsleben zu suchen. Abend für Abend saßen wir mit einem Kaffee in der Hand an unserem Küchentisch und haben hin und her überlegt. Obwohl die Abende in Nordschweden echt lang sein können, war es uns nicht möglich, einen endgültigen Entschluss zu fassen. Letztendlich haben wir uns darauf geeinigt, keine langfristigen Pläne zu schmieden, sondern Jahr für Jahr aufs Neue zu schauen, was geht. 

Der Kompromiss

Für das erste Jahr nach der Entbindung der zweiten Tochter sollte es wie folgt aussehen: Wir nehmen uns eine Wohnung in Berlin, das Haus in Schweden wird behalten. Mein Mann arbeitet in Berlin und ich monatsweise in Schweden. Nicht ganz logisch, ich weiß, ich war es ja, die nach Deutschland zurück wollte. Aus arbeitstechnischer Sicht war es zu dem Zeitpunkt aber sehr sinnvoll. Ich wollte nach der Entbindung schnell wieder im Beruf einsteigen und mit einem kleinen Baby war das in Deutschland kaum möglich. Die familienfreundlichen Bedingungen in meinem Krankenhaus in Schweden ermöglichten es mir, schon sechs Wochen nach der Entbindung wieder phasenweise zu arbeiten. Ich habe mir für meine Arbeitsperioden meine Eltern oder Schwiegereltern für vier Wochen mit nach Schweden genommen. Sie haben mir die kleine Tochter zum Stillen vorbeigebracht. Hatte ich nur administrative Arbeit zu erledigen, durfte die Kleine ganz bei mir bleiben. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich sie in ihrer Babyschale unter meinem Schreibtisch mit dem Fuß stundenlang hin und her gewippt habe. So etwas ist in Schweden möglich! Unsere Erstgeborene hat in diesen Zeiten die schwedische Kita besucht. In Berlin hat sie dann die deutsche Kita besucht. Ein Monat Schweden – drei Monate Deutschland … so hat es sich schließlich eingependelt.

Das “Pendelleben”

Nun gut, ich habe also den Anfang unseres „Pendellebens“ zwischen Schweden und Deutschland gemacht und Teilzeit in Schweden gearbeitet. Nach zwei Jahren haben mein Mann und ich die Rollen getauscht. Nun habe ich Vollzeit in Berlin gearbeitet und mein Man hat in diesen Jahren Teilzeit in Schweden gearbeitet. Die Kinder hat er mitgenommen. Sie konnten so weiterhin die schwedische Kita besuchen und den Bezug zur schwedischen Sprache behalten. 

Die Schulpflicht

Dieses Familienmodell funktionierte für uns alle sehr gut, solange wir noch keine schulpflichtigen Kinder hatten. Und genau an diesem Punkt waren wir mittlerweile angelangt und es musste eine neue Lösung gefunden werden. Nach mehreren Jahren der ärztlichen Tätigkeit in Deutschland und der Geburt unserer dritten Tochter ist mir bewusst geworden, wie sehr ich die schwedische Art „Medizin zu machen“ mag. Sinnvoll, einfach, leitlinienorientiert! Ich wollte es daher noch einmal mit Schweden versuchen. Wir haben uns in einen kleinen Ort zwischen Stockholm und Uppsala verliebt und dort ein kleines Haus gebaut. Das Budget war so geplant, dass wir unsere Berliner Wohnung behalten konnten. Die Nähe zum Flughafen hat mir das Gefühl gegeben, bei Heimweh schnell in Berlin sein zu können. Kurz und gut …. wir sind erneut mit der gesamten Familie nach Schweden gezogen und haben vier Jahre dort gelebt und gearbeitet. Obwohl wir alles hatten was wir uns wünschen konnten, hat mir nach dieser Zeit Deutschland so gefehlt, dass echtes Heimweh aufkam.… 

Und den Rest der Geschichte kennt ihr ja bereits. Ich arbeite mittlerweile wieder in Berlin, mein Mann wochenweise in Stockholm. Auch wenn es aus umwelttechnischer Sicht kein ganz astreines Modell ist, werden wir es bis zum Schulabschluss der großen Tochter fortsetzen und was dann kommen wird … tja, das werden wir sehen.…

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